Donnerstag, 9. Dezember 2010

Buchvorstellung: Kunden auf der Flucht



Anne M. Schüller hat mir freundlicherweise ein Belegexemplares ihres aktuellen Buches “Kunden auf der Flucht?” zur Verfügung gestellt. Und das schon vor einigen Wochen. Endlich komme ich dazu, dieses empfehlenswerte Werk vorzustellen, das mich u.a. dazu veranlasst hat, eine Kategorie auf kundenkunde.de schleunigst umzubenennen.
Die Expertin für Loyalitätsmarketing Anne M. Schüller besetzt ein Marketingthema, das mich sehr fasziniert und wunderbar in dieses Blog passt. Es geht ihr darum, Kunden zu loyalen Empfehlern eines Unternehmens zu machen und sie eben nicht “festzubinden”, wie es die Kundenbindung bildlich gesehen so gerne machen würde. Nach der Lektüre des Buches habe ich die entsprechende Kategorie auf kundenkunde.de direkt in Kundenloyalität umbenannt – quasi als Zeichen des Verstehens und als kleine Hommage an dieses sehr lesenswerte Buch.
Kundenloyalität – die wünschen sich eigentlich fast alle Firmen. Die wenigstens wissen allerdings, wo man ansetzen muss und welche Maßnahmen intern und extern zu treffen sind. An diesem Punkt soll Anne M. Schüllers Buch “Kunden auf der Flucht?” als Einführung ins Thema Kundenloyalität und als erste Anleitung dienen.

Kunden möchten nicht “festgebunden” werden

Anne M. Schüller “erklärt” zunächst einmal den Kunden – eigentlich fast schon traurig, dass man da gutbezahlten Managern überhaupt noch was erklären muss. Schaden kann es wohl nicht – und interessant ist es allemal, was Schüller über diese Spezies zu berichten weiß. Der Kunde von heute möchte sich nicht “anbinden” lassen, er möchte stets frei entscheiden können, wo er Kunde ist und wo er Kunde bleibt. Ein Ziel für Unternehmen muss es daher sein, dass Kunden vor allem gern zurückkommen, wenn es schon nicht gelingt, sie als permanente Kunden zu gewinnen. Das ist ein für mich als Kunde sehr interessanter Gedanke: Neukunden werden zwar häufig mit Geschenken überschüttet – wiederkehrende Kunden zählen aber meist erst dann dazu, wenn sie schon lange genug weg waren, so zumindest die kleingedruckten Einschränkungen unter solchen Neukunden-Angeboten.

Mitarbeiter in der Kundenbetreuung zählen nichts

In vielen Firmen wird sowieso viel zu viel Gewicht auf die Neukundengewinnung gelegt, bemängelt Anne M. Schüller, was sie mit einem sehr eindrücklichen Beispiel illustriert: die bestbezahlten Mitarbeiter eines Unternehmens sind in der Neukundengewinnung aktiv, sie sind bei erfolgreicher Arbeit hoch angesehen und begehrt. Hat man soetwas schon mal von Kundenservicemitarbeitern gehört, die die Bestandskunden betreuen? Eher sogar im Gegenteil, diese Jobs sind häufig so schlecht bezahlt, dass die Mitarbeiterfluktuation so hoch ist, wie in kaum einem anderen Teil der Unternehmen. Ein Teufelskreis, wenn es darum geht, Bestandskunden die Wertschätzung zukommen zu lassen, die ihnen zusteht. Ganz schlecht sieht es spätestens dann aus, wenn selbst die wenigen Kundenbetreuer, die die Firma sich noch leistet, outgesourct oder noch schlimmer von Computern und Bandansagen ersetzt werden.

Kunden kündigen, weil…

Interessant auch, dass laut einer Studie die Verbraucher in Deutschland immer noch aufs Geld gucken, wenn es darum geht, einen neuen Dienstleister auszuwählen. Wenn es allerdings darum geht, den Dienstleister zu kündigen, sind ganz andere Gründe entscheidend, wie z.B. fehlende Informationen bei auftretenden Problemen, keine Honorierung von Vertragsverlängerungen oder Rabatte, die nur Neukunden gewährt werden. Daraus schließt Anne M. Schüller, dass in vielen Unternehmen zwar das Kundenbelohnungsprinzip vorhanden ist, aber meistens auf die falschen angewandt wird, nämlich auf die Neukunden. Das mag zwar kurzfristig tolle Zuwachsraten an der Neukundenfront bescheren, langfristig stellt sich so aber keine Firma auf ein stabiles Fundament loyaler Kunden.

Wie Loyalität entsteht und bleibt

Im weiteren Teil des Buches beschäftigt sich Anne M. Schüller damit, wie und in welchen Situationen Loyalität überhaupt entsteht und mit welchen Loyalitätstreibern man diese zusätzlich anfachen kann. Sie gibt praktische Tipps, wie man Bestandskunden belohnen und zu loyalen Fürsprechern des Unternehmens machen kann. Außerdem nennt Schüller einige Möglickeiten, Kundenloyalität und die dafür eingesetzten Ressourcen messbar zu machen, um ein gewisses Loyalitäts-Controlling einzuführen.

Fazit: Leseempfehlung!

Die vielen Hinweise, das umfassende Hintergrundwissen und die unzähligen Beispiele, in denen man sich als Kunden ständig wiederfindet, kann man in einer kurzen Rezension gar nicht wiedergeben. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen…
  • …wenn man interessierter Kunde ist, und schon immer mal wissen wollte, warum einem manche Firmen symphatisch sind und andere nicht (ich glaube, es hängt eben viel damit zusammen, wie man als Kunde behandelt wird)
  • …wenn man Unternehmer ist und sich fragt, warum zwar die Kosten für Neukundenakquise jährlich schnell steigen, die Kundenanzahl aber nur langsam und warum man damals dem Controlling tatsächlich geglaubt hat, ein externes Call-Center könnte die eigenen Kunden genauso gut betreuen, wie die eigenen Mitarbeiter im Haus
  • …wenn man Berater ist und Firmen nicht mehr nur zu kurzfristigem Erfolg, sondern zu langfristiger Stärke verhelfen möchte.
Alles etwas konstruierte Beispiele potentieller Leser – was für mich aber nur zeigt: eigentlich sollte dieses Buch jeder lesen. Denn Kunden sind wir alle. Und gut behandelt werden wollen wir auch alle. In diesem Buch steht, wieso das bisher häufig noch nicht klappt und wie es zukünftig besser klappen kann. Und wenn wir Kunden alle demnächst noch gezielter den Firmen unsere Loyalität schenken, die diese auch zu schätzen wissen, dann wird sich hoffentlich ganz bald einiges ändern in der Servicewüste Deutschland.
Anne M. Schüller – Kunden auf der Flucht?

Sehr interessantes Buch und Artikel von derstandard.at

Das aktuelle Wissenschaftsbuch

Die perfekte Marketing-Maschine

von Peter Illetschko  |  05. Oktober 2010, 20:02
  • Artikelbild: Science Busters: "Wer nichts 
weiß, muss alles glauben". Econwin-Verlag, 234 Seiten / 21,90 Euro -
 Foto: Econwin-Verlag
    Science Busters: "Wer nichts weiß, muss alles glauben". Econwin-Verlag, 234 Seiten / 21,90 Euro
Immer wenn die Science Busters in der Nähe sind, heißt es auch irgendwann fast entschuldigend: Die Naturwissenschaften müssen mit Leichtigkeit und Humor vermittelt werden, damit sich mehr dafür interessieren als bisher. Statistiken über tatsächlich nicht gerade berauschende Studentenzahlen werden hervorgeholt. Die meisten Zuhörer nicken zustimmend. Die Frage, wie viele Schüler sich aufgrund eines Auftritts der Science Busters für ein Studium der Hochleistungslasertechnik und gegen Publizistik entschieden haben, wird nicht erörtert.
    Das muss ja auch nicht sein. Die Science Busters in Person von Werner Gruber, Heinz Oberhummer und Martin Puntigam sind längst eine perfekt laufende Marketing-Maschine geworden, die im Erfolg ihre größte Rechtfertigung hat. Eine Maschine, die ihr Publikum findet, das glücklich ist, für Wissenschaft doch nicht zu dumm zu sein, dankbar in die Buchhandlung geht, um das neue Buch der Herren zu kaufen - und beim ORF-Fernsehen, wenn Gruber den Experten für den Teilchenbeschleuniger LHC spielen darf, ein freudiges "Schau, das ist der vom Kabarett" ausstößt. So funktioniert im Land, in dem einst Josef Broukal für einen Wissenschafter gehalten wurde, die Markenbildung für ein Massenpublikum. Wer würde da schon tiefschürfende Erkenntnisse erwarten?
    Daher ist das neue Buch Wer nichts weiß, muss alles glauben, auch keine große Überraschung. Geboten werden schon einige Informationen, mit denen man beim Treffen mit Freunden und Kollegen am Stammtisch prahlen könnte. Irgendwann "In erster Linie sind Verliebte drogensüchtig" ins Gespräch zu werfen, davon haben alle Leser und Leserinnen sicher schon lange geträumt, zumal sie dann, aber nur nach Lektüre des Buches, "der Hypothalamus ist der Drogenboss, die Hypophyse der Dealer" ergänzen können. Mit folgender Erklärung: "Die Areale, in denen sich Liebe in unseren Köpfen abspielt, sind weitgehend dieselben, die auch auf Drogen wie Kokain reagieren." Warum zuerst vom Boss und vom Dealer die Rede war, ist dann eigentlich egal, das wird auch im Buch nicht näher erklärt. Hauptsache, man konnte mit griffigen Vergleichen einen Treffer landen.
    Der Spaß soll da schon im Vordergrund stehen. Deswegen werden im Kapitel "Liebe" besonders merkwürdige Forschungsarbeiten beschrieben. Sex in einem funktionellen Magnetresonanztomografen zum Beispiel. Dabei habe man festgestellt, dass sich bei der Frau "weite Teile des Gehirns abschalten", dass "beim Mann hingegen alles feuert, was er zur Verfügung hat." Mit einem derart gelungenen Wortwitz wird auch das Thema Sex in der Schwerelosigkeit erörtert: Was tun, wenn Mann und Frau im All kopulieren wollten? Antwort der Autoren: Aufgrund des Dritten Newton'schen Gesetzes würde sie davonschweben, woraufhin gleich drei Methoden angeboten werden, um das Problem zu lösen.
    Aber natürlich geht es nicht nur um Liebe und Sex. Die Autoren erklären zum Beispiel auch, dass Wasser kein "Gedächtnis" habe, Harn also nicht als Soda zurückkomme, um "Hallo ich war Ihr kleines Geschäft" zu sagen. Goldfische dagegen hätten ein Erinnerungsvermögen von mehreren Monaten. Was letztlich aber nur unbefriedigend geklärt wird, ist die Frage, warum ein Mensch einen Witz lustig findet, ein anderer aber ganz und gar nicht. Vielleicht gelingt es im nächsten Buch. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 06.10.2010)